Die Ergebnisse des "Super Tuesday"
Von Prof. Dr. Christiane Lemke und Jakob Wiedekind, M.A.:
Am Dienstag, den 03.03.20, fand der sogenannte Super Tuesday statt. Dieser Tag ist für die Auswahl der/des demokratischen Kandidaten/in deshalb von entscheidender Bedeutung, weil in 14 der 50 Bundesstaaten der USA gleichzeitig die Vorwahlen stattfinden. Somit wird über 1.357 von insgesamt 3.979 Delegierten entschieden, die im Zuge der Democratic National Convention (13.-16.07.2020 in Milwaukee, Wisconsin) den/die Kandidaten/in bestimmen (siehe hierzu "Hilfreiche Links"-Sektion auf diesem Blog). Die Ergebnisse des Super Tuesday können somit als deutliche Richtungsentscheidung für das Rennen im Wahlkampf verstanden werden. Joe Biden hat wichtige Siege in North Carolina, Texas und Massachusetts eingefahren, während Bernie Sanders unter anderem Kalifornien für sich entscheiden konnte, was ihm allein 415 Delegierte einbringt. Der Super Tuesday hat somit Klarheit in das Feld der Demokraten gebracht.
Der Zweikampf liegt nun eindeutig bei Bernie Sanders und Joe Biden, zwei Kandidaten, die die beiden großen Flügel innerhalb der Demokraten verkörpern: hier der progressive, kämpferische Senator Sanders, dort der moderate Ex-Vizepräsident Biden. Joe Biden gilt als politisch erfahren und berechenbar, denn er hat während der Präsidentschaft von Barack Obama bereits ein hohes politisches Amt im Weißen Haus ausgeübt und er ist in der amerikanischen Bevölkerung gut bekannt. Seine internationale Erfahrung lässt auch in Europa Hoffnung aufkommen, dass sich mit einem Präsidenten Biden die gestörten Beziehungen zwischen Europa und den USA wieder verbessern, weltpolitische Probleme gemeinsam angegangen und die Krise der liberalen Ordnung beendet wird. In vielen Wahlkampf-Reden machte Biden klar, dass die USA mit ihm als Präsident zurückkehren würde zu einer engagierten globalen Führungsrolle, die auf starken transatlantischen Beziehungen fußt. Vor allem verkörpert Biden aber auch ein deutliches Gegenbild zu Präsident Trump, der mit seiner konfrontativen und teilweise rüpelhaften Art viele Wählergruppen in den USA vor den Kopf gestoßen hat und in der internationalen Politik vielfach eine Strategie der Unberechenbarkeit praktiziert hat. Die beiden moderaten Kandidaten, Amy Klobuchar, Senatorin aus Minnesota, und der ehemalige Bürgermeister von South Bend, Indiana, Pete Buttigieg, hatten ihre Kandidatur bereits vor dem Super Tuesday zurückgezogen und Biden ihre Unterstützung zugesagt. So machten sie den Weg frei für den Abstimmungserfolg zugunsten von Joe Biden. Zusätzliche Unterstützung erfuhr Biden von Beto O’Rourke, der bereits im November von seiner Kandidatur zurücktrat, was sicherlich zu Bidens Erfolg in Texas beitrug. Es steht zu erwarten, dass Michael Bloomberg, der sehr spät ins Rennen eingestiegen ist und in den Fernsehdebatten eine wenig überzeugende Performanz gezeigt hat, seine Kandidatur ebenfalls niederlegen und Joe Biden unterstützen wird. Das scheint nur eine Frage des richtigen Zeitpunkts zu sein. Die Kampagne von Elizabeth Warren steht ebenfalls vor dem Aus, nachdem sie in ihrem Heimatstaat Massachusetts nur auf Platz drei hinter Joe Biden und Bernie Sanders landete. Sollte sie sich aus dem Rennen zurückziehen, wird sie vermutlich Bernie Sanders unterstützen.
Dass Joe Biden die Nominierung der Demokraten im Juli gewinnen wird, ist nun nach dem Super Tuesday sehr wahrscheinlich. Sein Gegenkandidat Bernie Sanders ist derweil zu einer Polit-Legende aufgestiegen. Seit Ende der 1960er Jahre politisch aktiv, wurde er zunächst als Senator von Vermont tätig; bereits mehrfach hat er sich um die Präsidentschaft bemüht, zuletzt in einem spektakulären Show-Down im Vorwahlkampf gegen Hillary Clinton 2016. Hervorstechende Qualität von Sanders ist, dass er vor allem die Wählerinnen und Wähler unter 35 Jahren anspricht; hier erhält er regelmäßig Mehrheiten. Weit entfernt von der Jugendlichkeit eines John F. Kennedy oder eines Barack Obama -Sanders ist der älteste Kandidat bei den Demokratischen Bewerbern - erscheint dies als paradox. Der Grund für seine große Popularität liegt darin, dass er das Lebensgefühl der jüngeren Generation treffsicher erfasst und ins Zentrum seiner politischen Kampagne gestellt hat. Krankenversicherung, Klimawandel und bezahlbare College-Ausbildung sind prominente Eckpunkte seines Programms. Zudem schätzen seine Anhänger und Anhängerinnen die Standhaftigkeit, die in der von Macht und Lobbyismus getriebenen Politik eine Rarität geworden ist. Aber gerade diese Standhaftigkeit – Kritiker nennen es gern Halsstarrigkeit – könnte für Sanders ein Problem werden. Aus den Ergebnissen des Super Tuesday geht hervor, dass es ihm bislang nicht gelungen ist, moderate oder Nichtwähler von sich zu überzeugen, was seinem Kontrahenten Joe Biden deutlich besser gelang. Eine Übersicht zu den unterschiedlichen Wählergruppen finden Sie hier. Gerade diese Eigenschaft, auch Kompromisse schließen zu können und eine breite Wählerkoalition zu formen, wird Sanders aber als Kandidat der Demokraten dringend benötigen, denn die Parteien sind aufgrund des Zweiparteiensystems in den USA recht heterogene Sammelbewegungen für sehr unterschiedliche Gruppen und Strömungen in der amerikanischen Gesellschaft. Eine übersichtliche Darstellung aller Ergebnisse des Super Tuesday finden Sie hier.
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