Das Comeback von Joe Biden
Von Prof. Dr. Christiane Lemke und Jakob Wiedekind, M.A.:
Die Ergebnisse der gestrigen Vorwahlen in sechs weiteren Bundesstaaten haben dem moderaten Ex-Vize-Präsident Joe Biden zusätzlichen Aufschwung gegeben, wodurch er nun einen deutlichen Vorsprung vor dem progressiven Senator Bernie Sanders hat. Besonders bedeutsam ist Bidens Sieg in dem umkämpften Bundesstaat Michigan, der in der kommenden Präsidentschaftswahl – wie schon 2016 – sicher eine entscheidende Rolle spielen wird. Nachdem die Demokraten während der Präsidentschaftswahlen über Jahrzehnte stets die Mehrheit in Michigan gewonnen hatten, schaffte es Donald Trump 2016 zur Überraschung vieler Beobachter, diesen Bundesstaat für sich zu gewinnen. Nunmehr zeigt sich, dass bedeutende Wählergruppen, wie die weißen Arbeiter, offenbar doch auch Biden ihre Unterstützung gaben, so dass die Demokraten Hoffnung schöpfen, mit Biden im November hier gewinnen zu können. Interessant sind auch die Ergebnisse in Missouri (mit 68 Delegierten). Hier hatte Bernie Sanders 2016 im Vorwahlkampf seine Stärke mit einer breiten Wähler-Koalition gezeigt und gegen Hillary Clinton gewonnen. Dass er diesen Erfolg jetzt nicht wiederholen konnte, zeigt, dass er offenbar nicht so viele junge Wähler und Wählerinnen mobilisieren konnte wie angenommen und seine Wählerkoalition bröckelt. Ein ausschlaggebender Faktor sind dabei afro-amerikanische Wähler; sie haben, wie bereits eine Woche zuvor am Super Tuesday in South Carolina mehrheitlich für Biden gestimmt. Der Wunsch, Trump abzulösen ist in dieser Wählerschicht besonders stark ausgeprägt und Biden scheint die größten Chancen zu haben, diesem Ziel nahe zu kommen; die Stimmen für Biden sind daher strategisch gezielt abgegebene Stimmen.
Der klare Sieg von Biden in vier der sechs Vorwahlstaaten ist auch deshalb überraschend, weil Viele vor dem Super Tuesday letzte Woche nur noch schwindende Chancen für Biden sahen. In der Tat erleben wir ein seltenes Comeback, welches die Nominierung von Joe Biden als demokratischer Präsidentschaftskandidat zunehmend wahrscheinlicher werden lässt. Die Wahlergebnisse in Idaho, Michigan, Mississippi, Missouri, Washington und North Dakota, von denen Bernie Sanders nur North Dakota für sich entscheiden konnte, bringen eine klare Ordnung in den Vorwahlkampf der Demokraten. Die Entwicklungen deuten darauf hin, dass Biden mit einer breiten Unterstützung der Parteibasis ausstattet werden könnte, die er benötigt, um Präsident Trump ernsthaft herausfordern zu können. Passend dazu haben kürzlich Senatorin Kamala Harris aus Kalifornien und Senator Cory Boker aus New Jersey Biden ihre Unterstützung zugesagt – beide waren bis zum jeweiligen Rückzug im Dezember/Januar ebenfalls um die Nominierung zum/r Präsidentschaftskandidat/in bemüht.
Bernie Sanders hingegen sieht sich nach den letzten Ergebnissen in der Position des Herausforderers eines moderaten Kandidaten, der auch von der Parteielite der Demokraten favorisiert wird, was ihm aus dem Vorwahlkampf mit Hilary Clinton 2016 durchaus bekannt sein dürfte. Er hat sein Kernziel bislang nicht erreicht, eine breite Wählerschaft, die über seinen harten Kern an Überzeugten, hinausgeht anzusprechen. Dies könnte insbesondere im wichtigen Bundesstaat Florida, wo die Vorwahl am 17.03. stattfindet, zu einem Problem werden und Biden zu einem weiteren Meilenstein auf dem Weg zur Nominierung verhelfen.
Eine Chance für Sanders, Biden doch noch abzufangen, liegt sicherlich in dem one-on-one TV-Duell am kommenden Sonntag in Phoenix, Arizona. Hier könnte Sanders zum Beispiel Bidens niedrige Zustimmung bei jungen Wählern/innen herausstellen und den eigenen Reformwillen weiter betonen. Wegen der zunehmenden Verbreitung des Coronavirus, findet dieses Duell allerdings ohne Live-Publikum statt, was nur eines von zahlreichen Beispielen ist, wie das Virus auch den Wahlkampf in den USA beeinflusst.
Der Ausblick auf die kommenden Wochen zeigt, dass neben Florida auch in Ohio, Illinois und Arizona am 17.03. und somit direkt im Anschluss an das erwähnte TV-Duell weitere Vorwahlen stattfinden. Die Prognosen in diesen Staaten deuten darauf, dass Biden seinen Vorsprung wohl ausbauen kann. Dann stellt sich auch die spannende Frage, wen Biden als Vizepräsidentschaftskandidat/in ins Boot holt. Viele demokratische Aktivisten gehen davon aus, dass dies nun eine Frau sein müsse.