"The Money Race": Einblicke in die Welt der Wahlkampffinanzierung von Joe Biden und Donald Trump
von Prof. Dr. Christiane Lemke und Jakob Wiedekind, M.A.: (Lesezeit: ca. 10 Minuten)
Im Zuge der amerikanischen Präsidentschaftswahlen werden alle vier Jahre Millionen von US-Dollar in Bewegung gesetzt. Fernsehwerbung, die Wahlkampf-Team Mitarbeiter/innen, Social-Media-Ads, Fundraising-Events, Wahlkampfveranstaltungen und Berater/innen wollen bezahlt werden. Insbesondere im digitalen Kontext hängen Reichweite der politischen Botschaft und Finanzkraft eng zusammen. Der Money Tracker von NPR zeigt, dass Amtsinhaber Donald Trump bereits etwa 1,2 Milliarden USD für seine Wiederwahl einnehmen konnte und davon bereits etwas mehr als 1 Milliarde USD ausgegeben hat. Joe Biden hingegen hatte bis Anfang August auf der Haben-Seite etwa 700 Millionen USD und Ausgaben von insgesamt 580 Millionen USD, wenngleich die Berechnung noch nicht Bidens Rekordeinnahmen im August von ca. 360 Millionen USD inkludiert. An andere Stelle auf diesem Blog (Gastbeitrag VI) verwiesen wir bereits auf die finanziellen Schwierigkeiten von Joe Biden bezüglich seines Anteils am absoluten Spendenvolumen aller demokratischen Präsidentschaftskandidaten Anfang des Jahres. Nicht zuletzt deshalb hatte Trump einen erheblichen finanziellen Vorteil gegenüber seinem demokratischen Herausforderer. Allerdings ist dieser Abstand auf der einen Seite durch Trumps hohe Ausgaben und auf der anderen Seite durch Bidens jüngsten Geldsegen als offizieller Kandidat der Demokraten inzwischen drastisch geschrumpft. Interessant ist an dieser Stelle, dass sich Joe Biden im Kontext der Corona-Pandemie recht einfallsreich zeigte. So hielt er zahlreiche Fundraising-Events digital über Zoom ab, was die Kosten solcher Veranstaltungen erheblich reduzierte.
In diesem Blog-Beitrag wollen wir mit einem Blick in die Kategorie der individuellen Spenden von Privatpersonen an die beiden Kandidaten beginnen, wenngleich anzumerken ist, dass sie nicht die einzigen Quellen finanzieller Unterstützung für Präsidentschaftskandidaten darstellen. So werden Kandidaten typischerweise auch von sogenannten Political Action Committees (kurz PACs) unterstützt. PACs ähneln im Wesentlichen Lobbygruppen und ihre Beiträge sind durch bestimmte Höchstgrenzen stark reglementiert. Eine besondere Form dieser Komitees – die super PACs – dürfen auch unbegrenzt Spenden von natürlichen und juristischen Personen wie etwa Unternehmen oder Gewerkschaften annehmen. Zugleich ist es super PACs aber nur erlaubt ohne direkte Verbindung zu einem bestimmten Kandidaten politisch aktiv zu werden – zum Beispiel im Sinne von politischer Werbung etc. Die Tatsache, dass super PACs und ihre Finanzströme meist sehr intransparent sind, machte sie zuletzt auch im demokratischen Vorwahlkampf zum Ziel scharfer Kritik von Bernie Sanders und Elizabeth Warren. Die individuellen Spenden von Einzelpersonen stellen in den USA traditionell einen bedeutsamen Teil der finanziellen Zuwendungen für Präsidentschaftskandidaten dar und sind zugleich über die Federal Election Commission (FEC) leicht abzurufen, da die Kandidaten verpflichtet sind, dieser Behörde monatlich Bericht über ihre Wahlkampfeinnahmen zu erstatten.
Darstellung 1 stellt die Höhe der monatlichen individuellen Spenden zwischen Januar (Beginn der demokratischen Vorwahlen) und Juli 2020 (letzte verfügbare Daten der FEC) dar. Die Daten sind auf Individualebene verfügbar und erlauben gar eine namentliche Zuordnung der einzelnen Spenden. Aus den offiziellen Reports gehen die monatlichen Spenden durch Einzelpersonen unter Punkt 17 (iii) hervor.
Quelle: Eigene Darstellung auf Basis der Daten der FEC.
Die Kernbotschaft von Abbildung 1 ist, dass Joe Biden einen Vorsprung gegenüber Donald Trump bei den Spenden durch Einzelpersonen im betrachteten Zeitraum hat. Im März wurde spätestens durch den Super Tuesday (03.03.) klar, dass Joe Biden aussichtsreiche Chancen auf die Nominierung als Präsidentschaftskandidat der Demokraten hat und dieser Umstand war es wohl, der seinem Spendenvolumen auf ein neues Niveau half. Allerdings ist ebenfalls festzustellen, dass Trump spätestens ab April und trotz turbulenter Wochen im Schatten der Corona-Pandemie, wirtschaftlicher Krise und Rassenprotesten steigende Zuwendungen durch Einzelpersonen melden konnte. Summieren wir die einzelnen Posten auf, wird deutlich, dass Joe Biden im betrachteten Zeitraum 265.5 Mio. USD und Donald Trump 108.2 Mio. USD durch individuelle Spenden erhielten, was einen Vorteil für Biden zumindest andeutet, wenngleich anzunehmen ist, das beide Kurven weiter ansteigen werden je näher die Wahl im November kommt. Zudem ist an dieser Stelle zu bedenken, dass Donald Trump weit früher und unangefochten als Kandidat der Republikaner für das Präsidentschaftsamt Spenden für seine Wiederwahl sammeln konnte. Tatsächlich meldete Trump noch am Tag seiner Vereidigung am 20.01.17 seine Wiederwahlkampagne für den aktuellen Wahlzyklus bei der FEC an. Am Rande sei erwähnt, dass nach Definition der FEC ein Wahlzyklus stets am ersten Tag nach der letzten Wahl beginnt und mit dem Tag der neuen Wahl endet. Joe Biden gab seine Kandidatur erst am 25.04.19 bekannt und verschwand zu Beginn des Vorwahlkampfes ein wenig im ungewöhnlich großen Feld der demokratischen Kandidaten/innen.
Wie eingangs angedeutet nähern sich beide Kandidaten an, wenn wir die Einnahmen von den Ausgaben abziehen und somit das den Kampagnen zur Verfügung stehende Geld betrachten. Hierfür weisen die monatlichen Berichte an die FEC ebenfalls eine eigene Kategorie auf, die „Cash on Hand“ genannt wird. Genauer gesagt zeigen die Berichte einen Wert zu Beginn und zum Ende des jeweiligen Monats auf. Wir konzentrieren uns in Darstellung 2 ausschließlich auf die Werte, die den Stand des verfügbaren Geldes am Ende des jeweiligen Monats angeben und berücksichtigen wie zuvor den Zeitraum zwischen Januar und Juli 2020.
Quelle: Eigene Darstellung auf Basis der Daten der FEC.
Darstellung 2 zeigt deutlich, dass Donald Trump zu Beginn des Wahljahres einen klaren finanziellen Vorteil hatte, was für Amtsinhaber nicht ungewöhnlich ist. Der Verlauf von Joe Biden zeigt, warum dieser Beitrag die Überschrift „The Money Race“ hat. Das Rennen ist eindeutig sehr viel enger geworden und Ende Juni sehen wir, dass die beiden Kandidaten tatsächlich nahezu gleichauf waren hinsichtlich ihrer verfügbaren finanziellen Mittel. Mögliche Erklärungen für den starken Anstieg bei Biden sind sicherlich in der vergleichsweise schnell einsetzenden Klarheit im demokratischen Vorwahlkampf, aber auch in dem oft kritisierten Krisenmanagement von Donald Trump zu finden. Letzteres zeigt sich beispielsweise daran, dass Trump angesichts niedriger Umfragewerte und anderer Probleme noch im Juli seinen Wahlkampf-Manager austauschte.
Da wir bislang nur die Haben-Seite betrachtet haben, stellt Darstellung 3 die monatlichen Ausgaben der beiden Kandidaten dar. Dabei konzentrieren wir uns auf die Kategorie „operating expenditures“ pro Monat. Laut Definition der FEC umfasst diese Kategorie mediale Werbung, Zeitungswerbung, Gehälter, Reisen, Mieten und Telefone. Darstellung 3 umfasst also nicht alle Ausgaben in Gänze, da zum Beispiel Rückzahlungen oder Anwalts- und Gerichtskosten keine Berücksichtigung finden. Die gewählte Datengrundlage lässt aber dennoch einen aufschlussreichen Blick in das Ausmaß der Ausgaben für besonders wahlkampfrelevante Mittel wie etwa politischer Werbung zu.
Quelle: Eigene Darstellung auf Basis der Daten der FEC.
Die Kernbotschaft von Darstellung 3 ist, dass Trump in den letzten drei betrachteten Monaten konstant mehr Geld investiert hat als sein demokratischer Herausforderer. In den ersten Monaten des Jahres sehen wir, dass Trump im Vergleich zu Biden noch vergleichsweise zurückhaltend Geld ausgibt. Das hängt vermutlich damit zusammen, dass Joe Biden im Februar und März mehr investieren musste, um eine Entwicklung der demokratischen Vorwahlen zu seinen Gunsten zu forcieren. Der starke Anstieg beider Graphen ab Mai zeigt eindeutig, dass die Wahl näherkommt und dass beide Lager dementsprechend im „Money Race“ kontinuierlich an Fahrt aufnehmen.
Abschließend werden drei Dynamiken mit Bedeutung für die Wahl im November in diesem Beitrag deutlich. Erstens wird klar, dass Biden erfolgreicher als sein republikanischer Kontrahent um finanzielle Unterstützung von Einzelpersonen zu werben scheint, was zumindest ein Indiz für einen gewissen Mobilisierungsvorteil seitens Biden ist. Zweitens sticht hervor, dass Trumps finanzieller Vorsprung stark geschrumpft ist und dass, drittens, beide Lager inzwischen ähnlich viel Geld für den Wahlkampf ausgeben. Ein letzter Gedanke: Es dürfte das Wahlkampf Team von Trump wohl mindestens bedenklich stimmen, dass selbst unter dem Eindruck erheblicher finanzieller Aufwendungen die Meinungsumfragen auf nationaler Ebene sowie in zahlreichen umkämpften Bundesstaaten kaum Bewegung in Trumps Sinne zeigen. Vor diesem Hintergrund könnte sich Trump entscheiden, ähnlich wie im Wahljahr 2016, Gelder aus seinem privaten Vermögen in einem Wahlkampf einzusetzen, den er um jeden Preis gewinnen will. Die bevorstehenden Fernsehdebatten werden sicher noch Bewegung in die Geldströme bringen und Trumps Unterstützung durch PACs und super PACs ist beträchtlich. Ebenso wie die Wahl selbst ist das „Money Race“ also noch lange nicht entschieden.